Welche konkrete Realität verbirgt sich hinter dem Zusammenhang Bevölkerungs-/Bildungsschicht und Lesen in der Familie? Unter welchen Bedingungen gelingt die Lesesozialisation? Von der naiven Ausgangshypothese, die audiovisuellen Medien seien omnipotente Kulturverderber, kann man sich getrost verabschieden. Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien haben längst schon den Beweis erbracht, dass Kinder in verschiedenen Medienumwelten zu Lesern werden können. Nicht nur in einem printmedienorientierten Elternhaus (buchorientiert) sind gute Voraussetzungen für eine gute Lesesozialisation vorhanden, auch in Familien, in denen die Erwachsenen eine breite Palette von Medien regelmäßig nutzen. Werden allerdings in den Familien Fernsehen, Video und Computerspiele gegenüber den Printmedien bevorzugt, haben auch die Kinder in diesen Familien nur geringe Chancen, sich zu Lesern zu entwickeln.
In buchorientierten Elternhäusern hebt sich die Zahl der Leser deutlich gegenüber Elternhäusern, in denen ein unterhaltungsorientiertes Verhalten praktiziert wird, ab. Hierunter ist der erhöhte Konsum von Fernsehen, Video und Computerspiele zu verstehen. Trotz der enorm gestiegenen Verfügbarkeit und auch Finanzierbarkeit von Büchern, ist der Besitz einer entsprechenden Anzahl von Büchern immer noch bevölkerungsschichtabhängig. Zur Lesesozialisation in der Familie gehören aber nicht nur Bücher, Zeitschriften und die elektronischen Medien, sondern auch erwachsene Lesevorbilder. Kinder lernen zunächst einmal durch Beobachtung, welchen Wert das Lesen eines Buches oder einer Zeitschrift hat. Auch der Aspekt, ob die Kinder selbst viel Lesen, hat Einfluß auf das spätere Medienkonsumverhalten der Kinder. Das Einbinden der familienmitglieder in die Leseinteressen der Einzelnen sowie die Diskussion über die zu lesnende Literatur ist ein weiterer markanter Aspekt für den Erwerb einer Lesekompetenz. Dies macht die Familienmitglieder mit den Bezugsquellen sowohl von Büchern, Zeitschriften als auch von elektronischen Dokumenten vertraut. Lesen, so kann man das zuvor gesagte zusammenfassen, ist eine kulturelle Eigenschaft, deren Erwerb seesntiell auf stützende soziale kontexte angewiesen ist. Es ist unbestreitbar, dass Radio, Fernsehen und Presse durch ihre Informationen die Vorausetzungen schaffen, die es dem Bürger erlauben, sich demokratisch an seinem Staat zu beteiligen. Den Medien wird also eine große Bedeutung zugewiesen, wenn es um die Kluft zwischen bildungsarmen und bildungsreichen Bevölkerungsschichten geht. Mit wachsendem Informationsfluss in ein Sozialsystem ist eine tendenz dahingehend festzustellen, dass Bevölkerungsschichten mit einem höheren Bildungsstatus sich Informationen schneller aneignen als die status- und bildungsniedrigeren Bildungsschichten. Dadurch bedingt nimmt die Wissenskluft zwischen diesen Bevölkerungsschichten tendenziell zu. Welchen Einfluss hat nun das Lesen auf das Enstehen der Wissenskluft? Das Lesen fördert das Denken in Zusammenhängen und führt zu größerem Hintergrund- und Strukturwissen. Diese Eigenschaft wird zunemend in den Hintergrund gedrängt und durch Medien, wie das Fernsehen oder Radio ersetzt. Transparent wird dies, wenn man den Medienkonsum der Kinder betrachtet. Die basis für die genannte Wissenskluft wird demnach schon im Sozialisationsprozess unserer Kindheit gelegt und entsteht somit schon sehr früh in der Familie. Kinder von Familien niedriger Bildungssegmente lesen weniger. Das wiederum wirkt sich hemmend auf die Entwicklung einer stabilen Bildung aus. es erfolgt eine Orientierung hin in Richtung Ablenkung und Unterhaltung. Die Aufnahme von neuem Wissen wird nicht nur durch ein fundiertes Vorwissen erleichtert es erhöht auch die Aufmerksamkeit für weitere themenbezogene Medieninformationen. Nun liegt die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit eines menschen bei 140 - 240 Wörtern pro Minute. Viel Lesen bedeutet aber wenig Zeit für Unterhaltung und Ablenkung. In elektronischen lernanwendungen ist es zum Beispiel unumgänglich das viel gelesen werden muss unabhängig davon, ob der zu lesende Text bzw. Artikel kurz oder lang ist. Abhängig von der Komplexität der zu vermittelnden Thematik, hat dies Auswirkungen auf das behalten des Lesestoffes. Um also die niedrigen und mittleren Bildungsschichten in die Lage zu versetzen mehr Informationen aufzunehmen, ist es notwendig, den Personen dieser Segment die Technik für schnelles Lesen (Gedächtnislesen) zu vermitteln. Wird für diesen Personenkreis ersichtlich, dass er nur wenig Abstriche bezüglich Unterhaltung machen muss, ist die Bereitschaft an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen größer. Mit steigender Bildung erhöht sich auch die informationsorientierte Mediennutzung. Weiter wird erreicht, dass der Unterhaltungswert nicht mehr die dominierende Rolle einnimmt. Die weiterbildungswilligen Personen werden dadurch langsam herangeführt, innovative Medieninhalte ähnlich den statushöheren Bildungsschichten, schneller zu rezipieren. Die genannten Aspekte bezüglich des Lesens treffen ebenso auf die höheren Bildungsschichten zu. In diesem Segment wird die Situation zusätzlich durch die ständig wachsende Menge an Informationen verschärft.
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